Dienstag, 18. November 2014

Großstadt-Kammermusik

Großstadt-Kammermusik? Was ist das nun wieder? Dasselbe wie eine Großstadtsinfonie, nur in kleinerer Form. Das Genre der Großstadtsinfonie (oder, je nach Geschmack, Großstadtsymphonie, engl. city symphony) hat seinen Namen von Walther Ruttmanns BERLIN - DIE SINFONIE DER GROSSTADT (1927), von dem auch ungefähr ein halbes Dutzend anderer Schreibweisen existieren. Der Film zeichnet den Verlauf eines beliebigen Werktags in Berlin nach, ohne individuelle Charaktere - die Stadt selbst und ihre anonymen Bewohner sind die Hauptdarsteller, in fast vollständig dokumentarischen Aufnahmen, zu einem beträchtlichen Teil mit versteckter Kamera gedreht (zwei oder drei Szenen, darunter der Selbstmord einer Frau, wurden aber von Ruttmann inszeniert). Dazu die bewegungs- und schnittsynchrone Originalmusik von Edmund Meisel, die den Film erst zu einer "Sinfonie" machte. Das Prinzip, dem Lauf eines Tages vom Morgengrauen bis in die Abend- oder Nachtstunden hinein zu folgen, wurde auch von anderen Filmen dieses Genres verwendet, wobei Ruttmanns BERLIN nicht der erste Vertreter war. Schon 1921/22 entwickelte László Moholy-Nagy, damals in Berlin und wenig später für einige Jahre als Lehrer am Bauhaus, konkrete Pläne für einen solchen Film mit dem Titel DYNAMIK DER GROSS-STADT, unter Mitarbeit des mit ihm befreundeten Carl Koch (Ehemann und enger Mitarbeiter von Lotte Reiniger sowie Freund und Mitarbeiter von Jean Renoir, siehe dazu hier im letzten Absatz). Doch Moholy-Nagy und Koch bekamen das Geld dafür nicht zusammen. In seinem 1925 erschienenen Buch "MALEREI FOTOGRAFIE FILM" (das auch eine Art Storyboard des Films enthält) schreibt Moholy-Nagy:
Wir [er und Koch] sind leider bis heute nicht dazu gekommen; sein Film-Institut hatte kein Geld dafür. Größere Gesellschaften wie die UFA wagten damals das Risiko des bizarr Erscheinenden nicht; andere Filmleute haben "trotz der guten Idee die Handlung [Hervorhebung im Buch] darin nicht gefunden" und darum die Verfilmung abgelehnt. [...]

Der Film "Dynamik der Groß-Stadt" will weder lehren, noch moralisieren, noch erzählen; er möchte visuell, nur visuell wirken. Die Elemente des Visuellen stehen hier nicht unbedingt in logischer Bindung miteinander; trotzdem schließen sie sich durch ihre fotografisch-visuellen Relationen zu einem lebendigen Zusammenhang raumzeitlicher Ereignisse zusammen und schalten den Zuschauer aktiv in die Stadtdynamik ein. [...]

Ziel des Filmes: Ausnutzung der Apparatur, eigene optische Aktion, optische Tempogliederung, - statt literarischer, theatralischer Handlung: Dynamik des Optischen. Viel Bewegung, mitunter bis zur Brutalität gesteigert. Die Verbindung der einzelnen, "logisch" nicht zusammengehörenden Teile erfolgt entweder optisch, z.B. mittels Durchdringung oder durch horizontale oder vertikale Streifung der Einzelbilder (um sie einander ähnlich zu machen ), durch Blende (indem man z.B. ein Bild mit einer Irisblende schließt und das nächste aus einer gleichen Irisblende hervortreten läßt) oder durch gemeinsame Bewegung sonst verschiedener Objekte, oder durch assoziative Bindungen.
Zumindest auf dem Papier sind hier schon Elemente der Großstadtsinfonien vorweggenommen, und in der 1927 erschienenen zweiten Auflage des Buchs merkt Moholy-Nagy an, dass Ruttmanns soeben herausgekommener BERLIN "ähnliche Bestrebungen" wie sein eigenes Projekt verfolge. - Als erste tatsächlich gedrehte Großstadtsinfonie wird meist RIEN QUE LES HEURES bezeichnet, den der vorwiegend in Frankreich und England arbeitende Brasilianer Alberto Cavalcanti 1926 in Paris drehte. 1928 bekam Paris mit ÉTUDES SUR PARIS von André Sauvage einen weiteren Film aus diesem Bereich spendiert, und schon im Jahr zuvor, ungefähr zeitgleich mit Ruttmann, inszenierte der Kameramann Michail Kaufman (der Bruder von Dsiga Wertow und Boris Kaufman) gemeinsam mit einem Ilja Kopalin MOSKAU. Weitere Filme, die man zumindest ansatzweise als Großstadtsinfonien bezeichnen kann, entstanden etwa in Sao Paolo und anderswo. Als zweiter und letzter Höhepunkt des Genres nach BERLIN gilt DER MANN MIT DER KAMERA, den Dsiga Wertow (mit Michail Kaufman an der Kamera) 1929 inszenierte. Allerdings ist dieser Film keiner bestimmten Stadt gewidmet, sondern er wurde in mindestens drei verschiedenen Städten gedreht. - In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war New York City zweifellos die Metropole schlechthin, aber ausgerechnet dort entstand merkwürdigerweise keine echte Großstadtsinfonie. Was es aber gab, war eine ganze Reihe von kleineren Filmen, die das eine oder andere charakteristische Element aufwiesen, die nicht individuelle Charaktere (seien sie real oder fiktiv) in den Mittelpunkt rückten, sondern die Architektur, die Verkehrsmittel, die Bevölkerung als anonyme Masse - eben keine Großstadtsinfonien, sondern Großstadt-Kammermusik. Mal stand der dokumentarische Blick im Vordergrund (ohne dass es sich um Dokumentarfilme im engeren Sinn handelte), mal eine lyrische Stimmung oder formale Experimente. Was nun folgt, ist eine natürlich unvollständige und subjektive Auswahl. Die ersten vier Beispiele entstanden als Stummfilme und sind hier mit modernen Soundtracks versehen.



MANHATTA (auch NEW YORK THE MAGNIFICENT)
USA 1921
Regie: Charles Sheeler und Paul Strand

Nein, da fehlt kein N - der Titel lautet wirklich so.



Charles Sheeler (1883-1965) war ein Maler (in einem "präzisionistischen" Stil) und Fotograf, Paul Strand (1890-1976) ein Fotograf und dokumentarischer Kameramann. Er arbeitete nicht nur für Wochenschauen, sondern er war auch Mitglied in den linken Filmkooperativen Nykino und Frontier Films, die aus der 1930 gegründeten Workers' Film and Photo League hervorgegangen waren. Für Sheeler dagegen war MANHATTA der einzige Ausflug zum Film. Die poetischen Texte der Zwischentitel stammen von Walt Whitman. MANHATTA wurde ungeachtet seiner Kürze gelegentlich als erste Großstadtsinfonie überhaupt bezeichnet. Egal wie man dazu steht - ein wichtiger Vorläufer war er in jedem Fall.



TWENTY-FOUR DOLLAR ISLAND
USA 1927
Regie: Robert Flaherty



TWENTY-FOUR DOLLAR ISLAND ist offensichtlich von MANHATTA beeinflusst - nicht nur einige Einstellungen, auch das ganze Konzept ist recht ähnlich. Robert J. Flaherty (1884-1951) wird oft als Vater des Dokumentarfilms bezeichnet. Zwar gab es auch schon vor ihm Dokumentarfilme, auch in seinem Spezialgebiet, dem Ethno-Dokumentarfilm (etwa IN THE LAND OF THE HEAD HUNTERS aka IN THE LAND OF THE WAR CANOES von Edward Sheriff Curtis, 1914), aber mit seinem Erstling NANOOK OF THE NORTH (1922) trug er maßgeblich dazu bei, den Dokumentarfilm als eigenständiges Genre zu etablieren. Obwohl er vor allem, wie gerade erwähnt, mit Ethno-Filmen assoziiert wird, filmte er auch die moderne industrielle Welt (nach TWENTY-FOUR DOLLAR ISLAND z.B. - in Zusammenarbeit mit John Grierson - INDUSTRIAL BRITAIN.



SKYSCRAPER SYMPHONY
USA 1929
Regie: Robert Florey



Hier also doch noch eine "Symphonie", zumindest dem Titel nach. Der Franzose Robert Florey (1900-1979) ging 1921 in die USA und landete bald in Hollywood. Nach Jahren als Regieassistent bei Studios wie Fox und MGM wurde er in den späten 20er Jahren zu einem Grenzgänger zwischen dem amerikanischen Independent- und Avantgardefilm einerseits und Hollywood andererseits. Auf der Independent-Seite inszenierte er - in Zusammenarbeit mit Leuten wie Slavko Vorkapich, Gregg Toland oder William Cameron Menzies - den grandiosen THE LIFE AND DEATH OF 9413, A HOLLYWOOD EXTRA, den komplett expressionistischen THE LOVE OF ZERO, den leider verschollenen JOHANN THE COFFINMAKER, und eben die SKYSCRAPER SYMPHONY. Auf der kommerziellem Seite drehte er (zusammen mit einem Joseph Santley) den Marx-Brothers-Film THE COCOANUTS. Danach war er an den Vorbereitungen zu FRANKENSTEIN beteiligt und sogar als Regisseur im Gespräch. Als James Whale den Zuschlag erhielt, durfte Florey zum Ausgleich mit Bela Lugosi die Poe-Verfilmung MURDERS IN THE RUE MORGUE machen. Dieser ebenfalls stark vom Expressionismus beeinflusste Film geriet im Gegensatz zu FRANKENSTEIN zu keinem überragenden Erfolg, und Florey blieb der große Durchbruch versagt. So schlug er schließlich eine Karriere als zuverlässiger B-Film-Regisseur und ab den 50er Jahren als Fernsehregisseur ein.



A BRONX MORNING
USA 1931
Regie: Jay Leyda



Hier nun ein "privaterer" Film, der sich auf ein Stadtviertel beschränkt und näher an den Menschen dran ist als die drei vorherigen Filme. Dass Leydas Blick auch vor dem Rinnstein und Mülltonnen nicht Halt macht, erinnert etwas an den 1930 entstandenen À RROPOS DE NICE (APROPOS NIZZA) von Jean Vigo (Regie) und Boris Kaufman (Kamera). Ob Leyda den kannte, weiß ich aber nicht. Jay Leyda (1910-1988) kam aus einem ähnlichen Umfeld wie Paul Strand: Er war ziemlich weit links und Mitglied der Workers' Film and Photo League und von Frontier Films. A BRONX MORNING war sein einziger Film in alleiniger Regie (1937 inszenierte er gemeinsam mit Elia Kazan, damals am Group Theatre, und zwei Kollegen von Frontier Films seinen zweiten und letzten Film). Nach A BRONX MORNING ging Leyda nach Moskau, um an der staatlichen Filmhochschule WGIK zu studieren, wo er sich mit Sergej Eisenstein befreundete. Leyda war an den Dreharbeiten zu Eisensteins DIE BESHIN-WIESE beteiligt, der aber von den stalinistischen Filmbürokraten abgebrochen wurde und unvollendet blieb. Leyda entwickelte sich zu einem profunden Kenner des sowjetischen und später auch des chinesischen Films und schrieb für den englischen Sprachraum bahnbrechende Bücher darüber. Nach längeren Aufenthalten in England, China und der DDR kehrte er um 1970 endgültig in die USA zurück, wo er als Dozent für Film an verschiedenen Hochschulen wirkte. Neben seinen filmhistorischen Aktivitäten publizierte er auch Bücher über Herman Melville, Emily Dickinson, Modest Mussorgski und Sergej Rachmaninow.



3rd AVE. EL
USA 1955
Regie: Carson Davidson



Die Third Avenue El von Manhattan in die Bronx war eine der New Yorker Hochbahnen, die in unzähligen Filmen und Fernsehsendungen zu sehen sind. 1955 stellte sie in Manhattan den Betrieb ein (in der Bronx erst 1973), und aus diesem Anlass wurde sie noch mehrfach im Film festgehalten - außer in 3rd AVE. EL beispielsweise auch in THE WONDER RING und GNIR REDNOW. Carson "Kit" Davidson ist ein vielfach ausgezeichneter, aber wenig bekannter Regisseur. Die Welt des Films hat er längst hinter sich gelassen, stattdessen arbeitet er seit vielen Jahren im Feld der Medizinpublizistik. Nachdem er sich in jungen Jahren als Neuankömmling in New York vom Tellerwäscher zum Mädchen für alles in einer Filmfirma gesteigert hatte (was man hier in seinen eigenen Worten nachlesen kann), drehte er 3rd AVE. EL mit einer geborgten Kamera in Eigeninitiative und versuchte zunächst vergeblich, einen Verleih dafür zu finden, bis ein "verrückter Russe", der ein Kino besaß, als letzter auf Davidsons Liste ein Einsehen hatte und den Film monatelang als Vorfilm zeigte. Es hat sich gelohnt, vor allem für Davidson, denn 3rd AVE. EL wurde für den Oscar nominiert und gewann diverse Preise. Die Musik stammt von Haydn, Solistin ist die polnisch-jüdische Cembalistin und Pianistin Wanda Landowska, die 1941 von Frankreich in die USA geflüchtet war. Sie mochte eigentlich überhaupt keine Filme, aber mit 200 Dollar konnte sie überzeugt werden, Davidson die Rechte zu überlassen. Neben der Fahrt mit der Hochbahn bilden die Versuche, eine verlorene Münze zu bergen, eine Klammer des Films. Damit stellte sich Davidson (vermutlich unbewusst) auch in die Tradition des deutschen "Querschnittfilms" der 20er Jahre, etwa DIE ABENTEUER EINES ZEHNMARKSCHEINES von Berthold Viertel, wodurch auch ein Anknüpfungspunkt zu Ruttmanns BERLIN besteht. - Carson Davidson war zwar hauptsächlich auf dem Gebiet des Dokumentar- und Industriefilms tätig, aber mit HELP, MY SNOWMAN'S BURNING DOWN gelang ihm auch ein witziger Ausflug in den Surrealismus. Auch dieser Film war für den Oscar nominiert, und er gewann über ein Dutzend Preise, darunter einen in Cannes. Weitere Filme von Davidson findet man bei archive.org und YouTube. - Die Bilder aus 3rd AVE. EL wurden für mindestens zwei Musikvideos verwendet, siehe hier und hier.



Den nächsten Film sehen wir gleich zweimal, mit zwei verschiedenen Soundtracks.

BRIDGES-GO-ROUND
USA 1958
Regie: Shirley Clarke



Shirley Clarke (1919-1997) ist vor allem für ihre in einem dokumentarischen Stil inszenierten Spielfilme THE CONNECTION und THE COOL WORLD bekannt, die vom Geist des Direct Cinema beeinflusst sind (Clarke hatte zuvor auch mit Richard Leacock und D.A. Pennebaker gearbeitet), ohne wirklich dokumentarisch zu sein (es ist alles penibel durchinszeniert), sowie für den Portraitfilm PORTRAIT OF JASON über einen exaltierten schwulen schwarzen New Yorker. Doch schon mit BRIDGES-GO-ROUND hat sie eine markante Duftmarke hinterlassen. Clarke konnte und wollte sich nicht zwischen den beiden Soundtracks entscheiden und erklärte kurzerhand beide für offiziell, und schon beim Erscheinen des Films wurde er meist mit beiden Tonspuren hintereinander zweimal gespielt. Teo Macero, von dem die jazzige Musik stammt, war ein Saxophonist, Komponist, Arrangeur und Plattenproduzent (lange Jahre bei Columbia Records). Louis und Bebe Barron, die den elektronischen Soundtrack beisteuerten, gehörten in den USA zu den Pionieren elektronischer Musik- und Geräuschproduktion. Die bekannteste Hervorbringung des Ehepaars war der Soundtrack zum SciFi-Klassiker FORBIDDEN PLANET (1956) von Fred M. Wilcox. Wegen kleinlicher Regularien durften sie seinerzeit nicht als "Komponisten" dieses Films bezeichnet werden, weshalb ihnen auch die sonst mögliche Nominierung für einen Oscar versagt blieb.



GO! GO! GO!
USA 1962-64
Regie: Marie Menken



New York, der Schauplatz urbaner Beschleunigung, im Zeitraffer - eigentlich eine naheliegende Idee, aber man muss sie auch erst einmal so ansprechend umsetzen wie Marie Menken (1909-1970). Da ich in nächster Zeit auf Menken zurückkommen will, soll es das erst einmal gewesen sein.

(Übrigens hat schon 1901 Frederick S. Armitage den Abriss eines New Yorker Theaters im Zeitraffer gefilmt. Er klebte eine rückwärts laufende Kopie und den vorwärts laufenden Film aneinander, so dass das Gebäude scheinbar emporwuchs und dann wieder verschwand, oder andersrum - die Kinobesitzer konnten sich das aussuchen.)

UPDATE:

Ich vergaß zu erwähnen, dass alle Filme außer 3rd AVE. EL auch auf DVD erhältlich sind (zumindest ist mir für letzteren keine DVD bekannt). Die ersten vier Filme meiner Auswahl (und außerdem der kurze Film von Frederick S. Armitage) befinden sich alle im 7-DVD-Set "Unseen Cinema. Early American Avant-Garde Film 1894-1941", das ich hier schon mit drei Beispielen vorgestellt hatte. MANHATTA findet man auch im 2-DVD-Set "Avant-Garde - Experimental Cinema of the 1920s & '30s" (inzwischen out of print und nur noch zu Spekulantenpreisen erhältlich), SKYSCRAPER SYMPHONY und A BRONX MORNING auch in der Box "More Treasures from American Film Archives, 1894-1931". BRIDGES-GO-ROUND und GO! GO! GO! finden sich im 2-DVD-Set "Treasures IV: American Avant-Garde Film, 1947-1986".

Montag, 3. November 2014

Der deutsche Expressionismus geht nach Hollywood

THE CAT AND THE CANARY („Spuk im Schloss“)
USA 1927
Regie: Paul Leni
Darsteller: Laura La Plante (Annabelle West), Creighton Hale (Paul Jones), Flora Finch (Tante Susan), Tully Marshall (der Anwalt Roger Crosby), Martha Mattox (Mammy Pleasant, die gruselige Haushälterin), Forrest Stanley (Charles Wilder)

Cyrus West ist alt, reich und exzentrisch – und vielleicht etwas verrückt? Jedenfalls hinterlegt er ein Testament, das erst 20 Jahre nach seinem Tod geöffnet werden soll. Als diese Zeit verstrichen ist, versammeln sich die potentiellen Erben im großen Landhaus des Verstorbenen: die Neffen Harry Blythe, Charles Wilder und Paul Jones, die Schwester Susan Sillsby mit ihrer Tochter Cecily Young, und die Nichte Annabelle West. Dort werden sie von Cyrus Wests Anwalt Roger Crosby und der gruseligen Haushälterin Mammy Pleasant empfangen. Das Testament wird verlesen, und als alleiniger Erbe des West‘schen Vermögens wird der entfernteste Verwandte mit dem Namen „West“ bestimmt – also die junge Annabelle. Diese Bestimmung gilt nur unter der Bedingung, dass die geistige Gesundheit des Erbes festgestellt werden kann. Falls der Erbe verrückt sei, falle das Vermögen an eine genannte Person in einem zweiten Testament. Klingt einfach und schlüssig? Ist es auch... bis plötzlich der Anwalt mit dem zweiten Testament auf mysteriöse Weise verschwindet... und der Wachmann einer nahegelegenen Psychiatrie von einem entflohenen Patienten berichtet, der sich für eine Katze hält und gerne Mitmenschen wie Mäuse zerfleischt... das beunruhigt alle Anwesenden, aber besonders die sensible Annabelle wird nervlich stark belastet. Daraufhin hoffen Teile ihrer Verwandtschaft glühend darauf, dass sie ob der Ereignisse verrückt werden möge.

Paul Lenis THE CAT AND THE CANARY ist die erste Filmadaption eines Theaterstücks aus dem Jahre 1922. Der Autor John Willard wollte ursprünglich auf keinen Fall die Rechte an seinem Werk einem Hollywoodstudio verleihen, da er befürchtete, dass Filmzuschauer, die das Ende kannten, keine Lust mehr auf das Theaterstück hätten. Willard gab schließlich dem Drängen des Universal-Chefs Carl Laemmle nach. Nach Lenis Verfilmung folgten noch die erste Tonfilmadaption THE CAT CREEPS (1930), dessen spanischsprachige Version LA VOLUNTAD DEL MUERTO im gleichen Jahr, das enorm erfolgreiche THE CAT AND THE CANARY von 1939 mit Bob Hope und Paulette Goddard, der schwedische Fernsehfilm KATTEN OCH KANARIEFÅGELN von 1961, und schließlich 1978 eine britische, gleichnamige Adaption mit unter anderem Honor Blackman und Edward Fox.

Stilbildend wirkte Lenis THE CAT AND THE CANARY als Vorläufer des „haunted house“-Horrorfilms: einige meist untereinander unbekannte Leute finden sich für eine Nacht in einer (vielleicht?) spukenden Villa aus meist pekuniären Gründen ein, und nach und nach verschwinden einige von ihnen. Ein Szenario, das vielleicht in HOUSE ON HAUNTED HILL von 1959 seinen besten Ausdruck fand (zumindest musste ich bei der Sichtung immer wieder an Castles Film denken). THE CAT AND THE CANARY war auch ein früher Vertreter jener Horrorfilme, für die das Universal-Studio im Laufe der nächsten Jahrzehnte geradezu ikonisch stehen würde (als erste Universal-Horrorfilme gelten DR. JEKYLL AND MR. HYDE sowie der verschollene THE WEREWOLF von jeweils 1913).

Lenis Film ist aber auch dafür bekannt, dass er der Tendenz folgte, humorvolle und komödiantische Elemente in das Horrorgenre einzubringen. Mehr als der schwarze Humor, den man bei einem solchen Stoff eigentlich erwarten würde, entsteht die Komik vor allen Dingen durch die Figur des Paul Jones: außer der Alleinerbin Annabelle ist er der einzige aus der West-Verwandtschaft, der nicht vollkommen geldfixiert ist. Der junge, etwas pummelige Mann ist vielmehr in Annabelle verliebt (dass sie wohl seine Cousine ersten Grades ist, steht auf einem anderen Blatt), und gebärt sich als äußerst nervöser und ängstlicher Mensch. Es dann vor allem die sehr exaltierte Darstellung Creighton Hales in Kombination mit teils überstrapazierten Zwischentiteln, die für Komik sorgen soll. Inwiefern dies gelungen ist, sei dahingestellt. Ich persönlich fand einige der Witze ganz lustig, viele andere eher bemüht und deplatziert..

Der Reiz von THE CAT AND THE CANARY liegt freilich auch im visuellen Bereich. Besonders beeindruckend ist Gilbert Warrentons Fotografie mit der expressiven chiaroscuro-Lichtsetzung, die meisterhaft ein „state of art“ der entfesselten Kamera präsentiert. Diese verwandelt sich in einigen Momenten regelrecht in eine Protagonistin: zu Beginn des Films irrt sie durch die langen Gänge des gruseligen Landhauses und „blickt“ nervös suchend, geradezu manisch durch die Umgebung. Das wird zwar damit erklärt, dass es sich um den Geist Wests handeln könnte, aber wir wissen, dass es in diesem Film keine richtigen Geister gibt. Daher würde ich dezidiert dafür plädieren, es als „point of view“ der Kamera zu sehen: die Kamera hat sich vom Stativ befreit, und befreit sich auch von der Verpflichtung, die Filmhandlung zu bebildern. Edgar Ulmer verwendet in einer Szene diese „autonome“ Kamera 1934 in THE BLACK CAT und bei Dario Argento wurde sie quasi zu einem Markenzeichen. Von Lenis THE CAT AND THE CANARY zum Giallo der 1970er ist es übrigens gar nicht so weit: zu Beginn legt eine unbekannte Person mit schwarzen Handschuhen einen Brief in den Cyrus Wests Safe. Ein sehr frühes Proto-Giallo-Motiv, gefilmt mit Handkamera. In Spannungs- und Terrormomenten fährt die Kamera mit hoher Geschwindigkeit frontal in Richtung der schreienden Gesichter: in einem mitteleuropäischen Genrefilm der 1960er oder 1970er Jahre wäre das wohl mittels eines Reisszooms gemacht worden. In einer weiteren denkwürdigen Szene nimmt die Kamera die Perspektive eines Portraits ein, der von der Wand herunterfällt – abgebildet ist Cyrus West. Wir sehen also die überraschte und erschrockene Erbgemeinschaft durch die Augen des Portrait-West (den „point-of-view“ eines scheinbar „beseelten“ Gemäldes nutzte später Max Ophüls auch außerhalb eines  Horrorkontexts in LA SIGNORA DI TUTTI).

Auch mit einigen recht gelungenen Spezialeffekten kann THE CAT AND THE CANARY aufwarten. Erwähnt sei hier die effektvoll eingesetzte Mehrfachbelichtung, als der alte und gebrechliche Cyrus West in einer Art Delirium durch ein Dekor überdimensionierter Medizinflaschen torkelt und dabei von riesigen Katzen gejagt wird (was der Geschichte den Titel verleiht: er fühlt sich von seinen geldgierigen Verwandten so bedrängt wie ein Kanarienvogel von einer Katze). Des weiteren spielt der Film auch an spannenden Stellen mit seinen Zwischentiteln: diese „zittern“ dann wie eine Spiegelung auf einer bewegten Wasseroberfläche (bzw. eben wie die angsterfüllten Protagonisten).

Überhaupt ist THE CAT AND THE CANARY ein extrem „filmischer“ Film. Davon, dass er eine Bühnenadaption ist, findet sich bis auf den einheitlichen Schauplatz keine Spur. Wie toll er inszeniert ist, konnte man in einigen wenigen Augenblicken auch noch 2014 in einer öffentlichen Kinovorführung merken. Ich saß also am Abend des 26. Oktobers dieses Jahres im Weimarer Lichthaus, und der rekordverdächtig gefüllte Saal erreichte bisweilen den Gelächterpegel, den man eher in einer Keaton-Vorführung erwarten würde: eine relativ große Fraktion des Publikums lachte immer wieder über das manierierte und expressive Spiel der Darsteller, und besonders laut bei Stellen, die gemeinhin als „goofs“ bezeichnet werden (Schauspieler laufen mit Kerzenleuchtern herum und schleifen leicht bemerkbar Elektrokabel am Boden hinter sich her). Als jedoch eine in der Wand versteckte Tür aufging und Roger Crosbys Leiche völlig unerwartet auftauchte und zu Boden fiel, lachte tatsächlich niemand – vielmehr ging sogar eine kollektive Schnappatmung durch den Saal. Dieser tolle filmische Schock war effizient und modern genug inszeniert, um auch jene heutigen Zuschauer zu schockieren, die mit einem recht beachtlichen Maß an Zynismus an alte Filme herangehen. Wie dieser Schock 1927 gewirkt haben muss? „Must have scared the shit out them“ würde man auf Englisch dann wohl sagen.

THE CAT AND THE CANARY gehört auch zur Geschichte des deutschen Expressionismus, der nach Hollywood geht: personell, ästhetisch – und intertextuell. Auf mindestens zwei große Klassiker des deutschen Expressionismus (also in Deutschland) spielt Lenis Film an. Zum einen taucht mitten im Chaos aus verschwundenen und ermordeten Personen scheinbar aus dem Nichts eine besonders skurrile Figur auf: es ist der Arzt, der gemäß Testament die geistige Gesundheit des designierten Erben bestätigen soll. Diese Figur, gespielt vom gebürtigen Texaner Lucien Littlefield, sieht fast genauso aus wie Werner Krauß‘ Titelfigur aus DAS CABINET DES DR. CALIGARI: eine Erscheinung, die mindestens so beunruhigend ist wie die gruselige Haushälterin – Annabelle ist bei der Untersuchung entsprechend nervös und verhält sich dann auch nicht so, dass man ihr 100%-ig geistige Gesundheit bescheinigen könnte. Einige Augenblicke vorher hatte sie sich schlafen gelegt. Doch ihre nächtliche Ruhe wurde gestört, als eine haarige Hand mit langen spitzen Fingern anfing, über ihr Gesicht zu huschen: eine schöne Hommage an die ikonische Szene in NOSFERATU, in der Graf Orloks Hand als Schatten über Ellens Körper huscht und ihr Herz (bzw. ihren Busen) ergreift. Die erotische Aufladung fehlt bei THE CAT AND THE CANARY: hier greift die Hand nach Annabelles wertvoller Halskette.

Diese Verbindung ist natürlich kein Zufall, denn mit Paul Leni folgte ein weiterer Vertreter des deutschen expressionistischen Film dem Ruf in die USA (Leni und NOSFERATU-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau drehten jeweils etwa zeitgleich ihren Hollywood-Einstand, und SUNRISE: A SONG OF TWO HUMANS hatte seine US-Premiere exakt zwei Wochen nach THE CAT AND THE CANARY). Leni, 1885 in Stuttgart geboren, war von Haus aus Maler, und kam wie viele Stummfilmkünstler vom Theater her, wo er Bühnenbilder konzipierte, zum Kino. Hier machte er sich besonders als Setdesigner einen Namen, und arbeitete mit Regisseuren wie Joe May, Ernst Lubitsch, Max Mack, Ewald André Dupont, Alexander Korda und Michael Kertész (später Michael Curtiz) zusammen. Seinen ersten Film als Regisseur drehte Leni schon 1916, doch zu besonderer Aufmerksamkeit gelangte 1923 DAS WACHSFIGURENKABINETT. Dieser Film hat nicht nur Sergei Eisenstein bei der Darstellung Ivans des Schrecklichen im Zustand des Wahnsinns inspiriert, sondern ist wohl auch der Grund dafür, dass Universal-Chef Carl Laemmle den gebürtigen Stuttgarter nach Hollywood einlud.

THE CAT AND THE CANARY lief in den USA sehr erfolgreich, und lockte auch in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien die Zuschauer massenhaft ins Kino. Während in der neuen Welt der Film auch von den Filmkritikern wohlwollend bis begeistert aufgenommen wurde, waren die Besprechungen in der deutschen Fachpresse eher ambivalent. Willy Haas, seines Zeichens nicht nur Filmkritiker beim „Film-Kurier“, sondern auch Drehbuchautor für Murnau (DER BRENNENDE ACKER) und Georg Wilhelm Pabst (u. a. für DIE FREUDLOSE GASSE), vergiftete ein großes Lob mit ätzendem Spott:

„Interessant, spannend, direkt kriminalpsychologisch fesselnd ist für mich an dieser Sache eigentlich nur eines: wieso das feinste, ästhetisch differenzierteste, gepflegteste, bis zum Snobismus raffinierteste Talent des deutschen Films, Paul Leni, ausgerechnet mit solchem Kriminalkitsch in Hollywood debütiert; warum er sich mit einer Versessenheit, einer leidenschaftlichen, gequälten, skrupulösen Hingabe, die man jeder Einstellung, jedem Ausschnitt, jeder der unendlich originell und skurril erdachten Dekorationen, jeder der zauberhaften Licht- und Schattenwirkungen, jedem Photographietrick, jedem Möbelstück, jeder Schauspielermaske ansieht – warum er sich mit dieser unersättlichen, gierigen, maßlosen Arbeitsfuries ausgerechnet in einen solchen Kriminalkitsch hineinkniet?“ 
Es ist wohl nicht völlig abwegig, in diesem Zitat eine gewisse (wohlweislich selektive) Schmähung von Genrefilmen herauszulesen, die gerade auch in Deutschland bis heute nachwirkt. Inwiefern auch ein dezidierter Antiamerikanismus in Willy Haas‘ Aussage mitschwingt, muss unklar bleiben (Haas verbrachte in der Nazi-Ära sein Exil in der Tschechoslowakei und dann in Indien, nicht in den USA – aber das muss nichts heissen, denn die meisten Emigranten haben ihre Aufenthaltsorte natürlich eher nach pragmatischen Möglichkeiten als nach Vorlieben ausgesucht).
Was man in Deutschland über seinen US-Einstand dachte, musste Leni aber nicht weiter kümmern, denn in den Staaten drehte er weiter Filme für Universal. THE CHINESE PARROT gilt heute als verschollen und war der zweite Film um den chinesischen Detektiven Charlie Chan – eine Reihe, die überaus erfolgreich sein würde. In THE MAN WHO LAUGHS, der Verfilmung eines Romans von Victor Hugo, demonstrierte Leni wieder sein Gespür für die Kombination aus Groteskem, Horrorelementen und expressionistischer Gestaltung. Die Geschichte um einen Mann mit einer Verstümmelung, die sein Gesicht zu einem permanenten Grinsen entstellt, kam weniger gut an als THE CAT AND THE CANARY: es wurde unter anderem das „zu deutsch“ aussehende Setting bemängelt. Der Film beeinflusste später aber so unterschiedliche Regisseure wie Sergio Corbucci und Brian De Palma, und die Ikonografie seiner von Conrad Veidt gespielten Titelfigur inspirierte wahrscheinlich maßgeblich die zwölf Jahre später geschaffene Figur des Jokers. Mit THE LAST WARNING sollte 1929 an den Erfolg von THE CAT AND THE CANARY angeknüpft werden: eine ähnliche Mystery-Handlung wurde vom Landhaus in ein Theater verlegt.

Paul Leni hatte sich in nicht einmal zwei Jahren als der Horrorspezialist von Universal schlechthin etabliert. Ende der 1920er Jahre kaufte das Studio die Rechte an der Verfilmung von Bram Stokers Roman „Dracula“ bei den Erben des Autoren (und vermied so vorsorglich Copyright-Probleme, die bei NOSFERATU nach dem Dreh entstanden waren). Offenbar war wohl geplant, dass Leni die Regie übernehmen würde, und der Deutsche Conrad Veidt, der schon die Titelfigur von THE MAN WHO LAUGHS gespielt hatte, sollte den titelgebenden Blutsauger spielen. Doch der Regisseur starb im September 1929 mit gerade einmal 44 Jahren unerwartet an einer Blutvergiftung, und das „Dracula“-Projekt wurde später in anderer personeller Besetzung realisiert (mit Karl Freund an der Kamera, also ebenfalls unter maßgeblicher mitteleuropäischer Beteiligung mit expressionistischem Hintergrund). Leni verstarb mitten in einer vielversprechenden Karriere viel zu früh: ein Schicksal, das ein wenig dem Friedrich Wilhelm Murnaus ähnelt.


Zur Überlieferung von THE CAT AND THE CANARY

Das Negativ von THE CAT AND THE CANARY (bzw. die zwei Negative: eins für die US-Kopien, eins für die ausländischen Kopien) wurde in den 1930er Jahren vom Universal-Studio vernichtet: ein Schicksal, das in dieser Zeit auch viele andere Universal-Stummfilme betraf. Archiviert wurden lediglich 16mm-Kopien.
In den 2000er Jahren wurde der Film zwei Mal restauriert. Einmal 2003 durch das Filmmuseum München anhand einer unvollständigen niederländischen 35mm-Nitrokopie, deren fehlenden Teile (und die Zwischentitel) aus einer vollständigen 16mm-Kopie im Blowup-Verfahren ergänzt wurden. Das bedeutet, dass die Momente, die der 16mm-Kopie entnommen sind, in verhältnismäßig schlechterer Qualität und leicht unscharf sind (was man z. B. auch aus der 2010er-Restauration von METROPOLIS kennt). 2004 restaurierte die britische Gesellschaft Photoplay Productions THE CAT AND THE CANARY auf Basis einer unvollständigen dänischen Nitrokopie, deren fehlende Teile ebenfalls mit einer 16mm-Kopie ergänzt wurden. Diese zwei Restaurationen beruhen auf Nitrokopien, die jeweils aus einem der beiden Negative gezogen wurden. Welche Kopie welchem Negativ zugeordnet werden kann, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.
Die Photoplay-Restauration ist auf einer DVD von Kino in den USA veröffentlicht worden. THE CAT AND THE CANARY ist in den Vereinigten Staaten gemeinfrei, so dass hier teilweise auch ziemlich ramschige Editionen, teils aus fragmentarischen 8mm-Kopien gezogen, im Umlauf sind. Es gibt auch eine spanische DVD-Edition, die den Film einmal in einer viragierten, unrestaurierten Fassung und einmal in einer restaurierten Sepiafassung enthält – beide offenbar mit unterschiedlichen Laufzeiten –, aber um welche Restauration es sich bei der Sepiafassung handelt, kann ich nicht sagen (vermutlich um die Photoplay-Version). In Frankreich gibt es seit just einigen Tagen den Film ebenfalls auf DVD: ob restauriert oder nicht, ist schwer zu sagen, aber auf jeden Fall offenbar in einer falschen und viel zu langsamen Abspielgeschwindigkeit (wohl irgendetwas bei 18 oder sogar nur 16 Bildern pro Sekunde statt den originalen 24). Eine „edizione restaurata“ gibt es in Italien zu erwerben, aber auch hier ist unklar, in welcher Fassung (auch hier wahrscheinlich die Photoplay-Version).
Alles ziemlich verwirrend und unklar, nicht wahr? Stummfilme und ihre Überlieferung sind eben oft eine komplizierte Angelegenheit. Ich meinerseits habe am 26. Oktober im Weimarer Lichthaus-Kino eine 35mm-Kopie aus dem Münchner Filmmuseum in besagter Münchener Restaurierung gesehen. Dies verdankten die Zuschauer dem Einsatz (und den guten Beziehungen) des Weimarer Stummfilmpianisten Richard Siedhoff, denn das Filmmuseum München leiht seine Kopien eigentlich nicht an reguläre Kinos. Siedhoff, der den direkten Vergleich mit der Photoplay-Restaurierung hat, schätzt die Münchener Fassung von THE CAT AND THE CANARY als die bildqualitativ bessere Restaurierungsversion ein. Meiner Einschätzung nach schwankte die Bildqualität irgendwo zwischen „relativ gut“ und „mittelmäßig“ (abgesehen von „geht gerade so“-Momenten bei den deutlich sichtbaren 16mm-Inserts). Kurz: andere restaurierte Stummfilme sehen (nicht zuletzt auch dank besserer Überlieferung) wesentlich klarer aus. Die Münchener Fassung hat es wahrscheinlich nicht auf DVD geschafft, sondern allerhöchstens zu einer arte-Ausstrahlung im Januar 2006.
Diese Besprechung hat keine Screenshots, weil sie im wesentlichen auf meiner Sichtung im Kino beruht. Auf die Kürze war eine DVD nicht zu besorgen (zumal ich völlig unschlüssig bin, welche Edition ich nehmen sollte). Screenshots aus Fassungen bei youtube kamen aufgrund der miserablen Bildqualität der dort vorhandenen Versionen nicht in Frage.