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Mittwoch, 16. Februar 2011

Oh, mein Quax-Papa!

Feuerwerk
(Feuerwerk,  Deutschland 1954)

Regie: Kurt Hoffmann
Darsteller: Lilli Palmer, Karl Schönböck, Romy Schneider, Claus Biederstaedt, Werner Hinz, Rudolf Vogel, Margarete Haagen, Ernst Waldow, Liesl Karlstadt, Lina Carstens u.a.

"Und Kinder haben wir auch; ich sorge schon dafür", singt Claus Biederstaedt, Biedermann der fünfziger Jahre, der blutjungen Romy Schneider mit einem Blick zu, wie man ihm in den Filmen von Ernst Hofbauer sicher nicht mehr begegnen sollte. Und Hofbauer war natürlich auch nicht der Regisseur des musikalischen Machwerks, das man sonst  als typisches Produkt der Zeit in Ruhe seinen Weg gehen liesse. Hinter "Feuerwerk" steht vielmehr der Mann, der für Goebbles 1941 den "lustigen" Propagandastreifen "Quax, der Bruchpilot" gedreht hatte und das Publikum der Adenauer-Zeit mit seichten, gelegentlich leicht  im Sinne der Epoche moralisierenden Filmchen  bediente, die es vergessen lassen sollten, was für Zeitgenossen noch unter ihm lebten - vor allem aber auch, dass selbst "lustige" Propagandafilme alles andere als lustig waren: Kurt Hoffmann.

Hoffmann,  bekannt für musikalische Tändeleien wie den später dank Billy Wilder's Remake "Some Like It Hot" (1959) zu Ruhm gelangtem "Fanfaren der Liebe" (1951), "Königin einer Nacht" (1951) und "Das Wirtshaus im Spessart" (1957), ergriff jede  sich ihm bietende Gelegenheit, um von der unmittelbaren Vergangenheit abzulenken und biedere Gemütlichkeit zu verbreiten, während Regisseure wie Wolfgang Staudte und Helmut Käutner schon kurz nach Kriegsende mit dem begonnen hatten, was als Vergangenheitsbewältigung bezeichnet wird. Als es ihm dann endlich, endlich an der Zeit erschien, einen eigenen Beitrag zu dieser leidigen Angelegenheit zu liefern, drehte er seinen vielleicht verlogensten, vor allem vom ausländischen Publikum leider lange überschätzten Streifen "Wir Wunderkinder" (1958), der - obwohl gut gespielt (sogar die Satiriker Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller gaben sich für die Rahmenhandlung her!) - noch immer mit gemütlichen, verharmlosenden Witzchen aufwartete, während Staudte mit "Rosen für den Staatsanwalt" (1959) eine der boshaftesten Satiren über die verschont gebliebenen Alt-Nazis der 50er lieferte. - Ich verachte Kurt Hoffmann wie keinen anderen Regisseur seiner Zeit, lasse auch jede "Grosse Starparade" (1954) und sämtliche "Mädels vom Immenhof" (1955)  gerne durchgehen, während ich bei ihm immer nur Heuchelei entdecke. Und hier zeigt sich eben, wie sehr der Filmfreund grundsätzlich einen Kontext  in seine Betrachtung miteinbezieht, ihm bis zu einem gewissen Grad unterworfen ist - dass eine "immanente" Analyse (seit Derrida gern in eine bestimmte Richtung  erweitert und mit dem schmückenden Begriff "Dekonstruktion" versehen) sogar wohl letztlich als Illusion betrachtet werden muss, zu der man sich höchstens aus modischen Gründen bekennen mag.

1939  vertonte der Schweizer Komponist Paul Burkhard (1911-1977) ein Lustspiel von Jürg Amstein, das  sich - wie brisant! - über die Moral des Bürgertums der Jahrhundertwende lustig machte. Nun ist es sicher nicht edelste Pflicht eines Musicals, sich aktueller Themen mit gesellschaftskritischer Absicht anzunehmen; entscheidend sind eher die eingängigen Melodien, die es uns liefert. - Und Burkhard hatte Talent: sein Stück "Der Schwarze Hecht" wurde zu einem riesigen Erfolg, der in der Schweiz noch heute gern vor allem von Laienbühnen einem begeisterten Publikum zugänglich gemacht wird. Einer seiner Songs, "Oh, mein Papa", wurde sogar zu einem Welthit, nachdem ihn die Sängerin Lys Assia nach Deutschland ex- und Eddie Fisher in die USA importiert hatten.



Jetzt bedurfte es nur noch des jüdischen Regisseurs und Produzenten Erik Charell, der Burkhards Musical  nach seiner Rückkehr aus den Staaten in München unter dem Titel "Feuerwerk" erfolgreich herausbrachte -  schon witterte Hoffmann, der Regisseur des guten (er legte Wert auf die Spezifizierung!) Unterhaltungsfilms, eine weitere Möglichkeit, seine "blütenreine" Adenauer-Weste noch weisser zu waschen. Er bot sich als Regisseur für die Filmfassung  des biederen Stücks förmlich an und durfte sich sogar darüber freuen, dass Charell  als Co-Produzent Lilli Palmer für die Rolle der Iduna nach Deutschland zurückholte. - Lilli Palmer, auch wegen ihrer jüdischen Herkunft ausgewandert, hatte Hollywood nach dem Skandal um den Suizid der Geliebten ihres damaligen Gatten Rex Harrison ohnehin den Rücken gekehrt, feierte jedoch am Broadway Triumphe (unter anderem mit dem Stück "Bell , Book and Candle", das 1958 mit Kim Novak in der Hauptrolle verfilmt werden sollte). Es zeugt vom eigenartigen, gar unschuldigen Wegblicken ihrer Generation, dass sie die verschlungenen Wege ihrer Flucht ins Exil und die keineswegs immer angenehme Arbeit in Hollywood (etwa mit dem Tyrannen Fritz Lang) in ihren Memoiren "Dicke Lilli - gutes Kind" (1974) zwar ausführlich beschreibt, jedoch kein negatives Wort über die ungeläuterte Vergangenheit des Regisseurs  verliert, mit dem sie den ersten deutschen Film nach ihrer Rückkehr drehte.

Zur recht substanzlosen Handlung: Der Fabrikant Oberholzer lädt zur Feier seines 60. Gebutstags die brave Verwandtschaft ein. Als jedoch der Zirkusdirektor Obloski mit seiner polnischen Frau Iduna mitten in das verkrampfte Fest platzt und sich als Enfant terrible der Familie, Oberholzers vor vielen Jahren verschwundener Bruder, zu erkennen gibt, lässt sich die bürgerliche Fassade nicht länger aufrecht erhalten: Die Männer sind sehr zum Ärger ihrer Gattinnen augenblicklich fasziniert von Idunas Charme, und Anna, Oberholzers Tochter, lässt sich von den Erzählungen des Onkels begeistert in eine ihr bislang fremde Welt entführen. Während sich die junge Anna im zweiten Akt der ursprünglichen (schweizerischen) Fassung des Theaterstücks lediglich in eine Zirkuswelt, in der ihre biederen Onkel sich in Clowns verwandeln, hineinträumt, benötigten das Münchner Publikum und der Film natürlich die von Iduna mit Sorge beobachtete Flucht in den richtigen Zirkus und das vorübergehende Verlassen des jungen Gärtners (die ideale Gelegenheit für Hoffmann, den Gartenzwerg, Inbegriff des Kitschs, ins Bild zu bringen), der sie liebt - und schon in den 50er Jahren (!) dafür sorgen kann, dass man Kinder hat. Was für ein höchst bürgerliches Happy End  dem Zuschauer blüht, kann man sich leicht ausmalen.

Die Palmer darf mit den beiden Hits "Oh, mein Papa" und "Das Lied vom Pony" brillieren, ein paar weitere, dem deutschen Theater- und Filmpublikum der  Zeit "angemessene" Songs (u.a. "Ein Leben lang verliebt") wurden von Paul Burkhard für Charell extra komponiert, weil sich nicht das ganze Musical ins Hochdeutsche transformieren liess - und man sich wohl auch kaum einen Rudolf Vogel vorstellen kann, der seiner Frau ein "Ich wott hüt nit vernünftig si!" entgegenschmettert. - Romy Schneider, die als Anna erst ihre zweite Filmrolle spielte, sollte noch einige Deutschmeister und Franzls über sich ergehen lassen müssen, bevor sie aus Frankreich Angebote erhielt, die ihrer würdig waren. --- Und "Quax, der Bruchpilot", der "lustige" Propagandafilm, den der sich ein Leben lang durchmogelnde Regisseur mit dem sich ebenfalls ein Leben lang durchmogelnden Schauspieler Heinz Rühmann zur Freude des Führers gedreht hatte, wird vom Fernsehen noch heute regelmässig in aller Unschuld ausgestrahlt. Nicht immer vergeht, hélas, der - zweifelhafte! - Ruhm der Welt! Vielleicht sollte man deshalb Hoffmanns billiges Verdrängungsfilmchen, das wegen seines für die damalige Zeit farbenprächtigen Tempos (welche Auszeichnung!) immer wieder gelobt wird, resignierend links liegen lassen und sich gelegentlich eine grundsätzlich süffigere Theatervorstellung des "Schwarzen Hechts" in der Schweiz genehmigen, möge sie nun von der "Emmentaler Liebhaberbühne" oder einem "Profi"-Theater angeboten werden.