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Mittwoch, 9. Juni 2010

Gespenster für wenige Zuschauer

Welthund
(Welthund, Schweiz 2008)
Regie: Ueli Ackermann
Darsteller: Bea Schneider, Claude Bärtschi, Florian Schneider, Sylvia Bossart, Urs Bosshardt, Ueli Ackermann u.a.

Die ländliche Gegend um Basel ist sicher nicht mehr als andere Gebiete mit Gespenstern und seltsamen Ereignissen gesegnet, aus denen sich Sagen machen lassen. Was wir jedoch hatten: Zwei unermüdliche Forscher, Paul Suter und Eduard Strübin, die den zum Teil mündlich überlieferten, zum Teil schriftlich festgehaltenen Geschichten für schlaflose Nächte auf den Grund gingen und sie in ihren “Baselbieter Sagen” einem interessierten Publikum zugänglich machten. - Und so komme auch ich in den Genuss, Besuchern mit all den Dingen, die sie im Dörfchen, in dem ich wohne, erwarten, einen gehörigen Schrecken einzujagen (bilde ich mir zumindest ein); denn noch jetzt stolpert man hinter jedem Winkel, in jeder nächtlichen Gasse, im tiefen Wald über Tote, die “ums Verrecken” keine Ruhe finden können. Im 19. Jahrhundert predigte ein Pfarrer nachts in der Kirche vor ihnen,  im Schuppen des Totengräbers hörte man sogar das Geschirr klappern, wenn mal wieder jemand an der Reihe war - und nebenbei dienen unsere Ungeheuerchen auch noch als ausserordentlich zuverlässige Wetterpropheten.

Zu erneuter Popularität verhalf unseren Sagengestalten die Autorin und Journalistin Barbara Saladin, die einige von ihnen in ihrem zuerst in Fortsetzungen erschienenen Roman “Bachpflattli” (“Ein etwas anderer Sommer”) zu den Auslösern einer spannenden Geschichte, in der die Vergangenheit in unser postmodernes Leben eingreift, machte. Ihr in der Nordwestschweiz gern gelesener Roman schrie förmlich nach einer Verfilmung, und so entstand die Idee, den “ersten Oberbaselbieter Film” zu verwirklichen, eine Idee, die erstaunlicherweise regelrecht vom Glück verfolgt war: Profischauspieler, die ohne Gage zu arbeiten bereit waren, stellten sich dem speziell für das “No Budget”-Projekt gegründeten unabhängigen Verein “WH-Films” zur Verfügung, dank Sponsoren gelangte man zu (höchst bescheidenen!) 80 000 Franken, die hauptsächlich für die Postproduktion eingesetzt wurden - und die Zusammenarbeit mit der Dorfbevölkerung (es wurde ausschliesslich vor Ort in verschiedenen Gemeinden des Oberbaselbiets  gedreht), funktionierte hervorragend, wobei diverse Freiwillige die Profis als Laiendarsteller unterstützen durften:

Nach Jahrzehnten kehrt Sarah Hirt an den Ort ihrer Kindheit, ins (fiktive) Dorf Rauringen, zurück, wo sie den Haushalt ihres verstorbenen Grossvaters auflösen soll. Der Empfang fällt nicht gerade herzlich aus; denn einerseits galt Sarahs mit dem Vaganten Ruedi befreundeter Gossvater als “seltsamer Kauz”, andererseits grassiert im Dorf eine seltsame Hautkrankheit, ein eitriges Ekzem, von dem viele betroffen sind und dessen Ursache man sich nicht erklären kann. - Bald entdeckt Sarah, deren Bruder einen riesigen schwarzen Hund beobachtet hatte und nun auch an einem Hautausschlag leidet, in einem alten Sagenbuch jedoch einen Hinweis auf den “Welthund” (die Sagengestalt kommt in vielen deutschsprachigen Gegenden vor und wird unterschiedlich gedeutet), dessen gespenstische Rückkehr ins Dorf nichts Gutes verheisst, weil er  für gewöhnlich ungesühnte Schuld einfordert. Der Gemeinderat will freilich von den Ideen, die Sarah und der Landstreicher einbringen, nichts wissen, kämpft beinahe schon hysterisch gegen die “politische Instrumentalisierung” der Gespensterfurcht an. Doch da ist noch die alte Louise, die - vielleicht vom plötzlichen “Sagenfieber” gepackt? - allerlei über vergrabene Schätze zu berichten weiss, deren Bergung jedoch unweigerlich mit der Erlösung einer ruhelosen Seele zusammenhängt. Bald befindet sich halb Rauringen auf Schatzsuche und begegnet diversen Geistern...

Der ländliche Grusler, der, wie es sich für einen echten Horrorfilm gehört, sogar mit einem (leider etwas kurz geratenen und leicht zu übersehenden) “final twist” aufwartet, kann natürlich nicht mit beeindruckenden Special Effects glänzen, er weist auch trotz stimmungsvoller Bilder technische Mängel auf (die Szenenübergänge wirken zum Teil regelrecht abrupt), der Spannungsbogen wird nicht durchgehend aufrecht erhalten, da man etwas gar viele Handlungsstränge anschneidet  - und die Zusammenarbeit zwischen Profis und Laien lässt - um die Liste der gelegentlich kritisierten Punkte zu vervollständigen - selten den Eindruck aufkommen, man habe es mit “gehobenem Laientheater” zu tun (Ähnliches wurde übrigens Markus Imhoofs für den Academy Award nominierten “Das Boot ist voll”, 1980, auch vorgeworfen). - Dennoch kann ich mich Michael Sennhauser nicht anschliessen, der in seinem von mir sonst sehr geschätzten Filmblog die Meinung äusserte, der in den Kinos der Region Basel ausserordentlich erfolgreiche “Welthund” (er schaffte es leider nicht einmal ins “Schweizer Fernehen DRS”, sondern musste sich mit der Ausstrahlung in einem Regionalsender begnügen) sei wie etwa der von mir übrigens auch sehr geschätzte Dokumentarfilm “Der letzte Coiffeur vor der Wettsteinbrücke” (2003) nur “bedingt exportfähig”, ziehe - dies wohl Sennhausers eigentliche Botschaft - die  Zuschauer vor allem wegen seines Lokalkolorits an (man erkennt Schauplätze und fühlt sich “daheim“). Es scheint mir vielmehr, ein guter Verleiher hätte ein Näschen für das in “Welthund” steckende Potential (der Film ist wesentlich besser als diverse staatlich subventionierte Streifen fürs Fernsehen) entwickeln und das Baselbieter Projekt einer “Post-Post-Production” (gleitendere Übergänge,  notwendige Straffungen, kleine technische Ausbesserungen und eine Verdeutlichung des überraschenden Endes) unterziehen müssen. Eine beachtliche Zuschauerzahl wäre zumindest schweizweit garantiert gewesen, da wir Baselbieter unsere Sagengestalten schliesslich nicht für uns gepachtet haben. Kommt hinzu, dass das “5,5 Millionen Franken”-Projekt “Sennentuntschi” (es dreht sich auch um eine Sagengestalt, allerdings aus den Alpen) von Michael Steiner, das im Oktober 2010 endlich in die Kinos kommen soll, bereits hoch verschuldet und keineswegs erfolgversprechender als “Welthund” ist.

Es wäre - dies als kleine Schlussbemerkung -  schön gewesen, wenn man die DVD (ist sie überhaupt noch erhältlich?) des ersten Oberbaselbieter Films mit deutschen Untertiteln versehen hätte. Freunde kleiner Mystery-Thriller aus Deutschland hätten sich bestimmt auf sie gestürzt, und ich kann mir vorstellen, dass  zum Beispiel meine Blogger-Freunde Alex (Hypnosemaschinen) und Oliver (Remember it for later) sich “Welthund” mit Vergnügen reingezogen hätten - wobei ich nicht zu sagen vermag, wer von den Beiden  sich während des  Anschauens wessen zerhackten Oberschenkel  hätte munden lassen...