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Mittwoch, 8. Februar 2012

Vom Fließen und Stehen der Zeit: LEBEWOHL, ARCHE

LEBEWOHL, ARCHE (SARABA HAKOBUNE, engl. FAREWELL TO THE ARK)
Japan 1984
Regie: Shūji Terayama
Darsteller: Tsutomu Yamazaki (Sutekichi Tokito), Mayumi Ogawa (Sue Tokito), Yoshio Harada (Daisaki Tokito), Yōko Takahashi (Temari), Keiko Niitaka (Tsubana), Renji Ishibashi (Yonetaro Tokito), Hitomi Takahashi (Chigusa)
Alle Namen sind in der westlichen Reihenfolge Vorname - Familienname angegeben (im Japanischen ist es bekanntlich umgekehrt)


Ein alter Mann und ein Junge erscheinen mit einem Handkarren an einem einsamen Strand. Der Karren ist voll von altmodisch aussehenden Wanduhren, die, wie man wenig später erfährt, im nahen Dorf gestohlen wurden. Der Alte hebt im Sand ein Loch aus, und der Junge wirft die Uhren hinein. "Jetzt", sagt der Alte nach getaner Arbeit, "bist Du der einzige im Dorf, der eine Uhr besitzt". Was er damit eigentlich sagt: Jetzt bist Du im Dorf der alleinige Herrscher über die Zeit.

Prolog: Uhren werden verbuddelt
Shūji Terayamas letzter Film ist eine freie Bearbeitung von Motiven aus Gabriel García Márquez' nobelpreisgekröntem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit". Zugleich ist er so etwas wie sein Vermächtnis. Terayama, der seit seinen jungen Jahren an einer chronischen Nierenkrankheit litt, starb 1983 mit 47 Jahren, der Film erschien 1984 posthum. Bei den Dreharbeiten war Terayama schon schwer angeschlagen, und er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde. Es ist ein gemäßigter, ein gereifter Terayama, der uns hier entgegentritt. Es fehlt der ungestüme Impetus von WERFT DIE BÜCHER WEG UND GEHT AUF DIE STRASSE (1971), es gibt keine kühne Wendung, die einem vor Verblüffung den Mund offen stehen lässt wie in PASTORAL: TO DIE IN THE COUNTRY (aka PASTORAL HIDE AND SEEK, 1974), es gibt auch weniger Nacktheit als in Terayamas früheren Filmen. Aber eine Reihe von Themen, Motiven und Stilmitteln aus den früheren Werken tritt wieder in Erscheinung, und vor allem gibt es noch einmal atemberaubend schöne Bilder zu sehen. Die weit überwiegende Zahl der Szenen ist in leuchtenden, gesättigten und bisweilen auch unwirklichen Farben gehalten, wie es auch schon in PASTORAL: TO DIE IN THE COUNTRY und in GRASS LABYRINTH (1979/83) der Fall war.

Sutekichi (l.o.), Sue, Daisaki, die Greisin
Schauplatz der Handlung ist ein abgelegenes, rückständiges Dorf in der Nähe der Küste, der üppigen, fast subtropischen Vegetation nach im südlichen Japan (tatsächlich wurde der Film auf Okinawa gedreht), die Zeit ist das frühe 20. Jahrhundert, vielleicht die 1920er Jahre. Seit dem Prolog am Strand sind Jahre vergangen, der Junge, Daisaki Tokito, ist jetzt ein junger Mann, und in seinem Haus hängt immer noch die einzige Uhr in der Gegend. Im Dorf wohnt auch das Paar Sutekichi und Sue ("Suë" gesprochen). Sie heißen ebenfalls Tokito, und überhaupt scheinen viele im Dorf irgendwie miteinander verwandt zu sein. Sutekichi und Sue sind Cousin und Cousine, und aufgrund ihrer engen Verwandtschaft gilt ihre Ehe als anrüchig, wenn auch noch geduldet. Im Dorf reisst man Witze über die Mißgeburten, die aus der Verbindung hervorgehen könnten. Doch Sutekichi und Sue haben ein noch gravierenderes Problem. Sue wurde von ihrem inzwischen toten Vater ein Keuschheitsgürtel verpasst, der nun nicht mehr abgeht. Weder der Dorfschmied noch magisch-religiöse Rituale können helfen, und Sutekichi hat unter zusätzlichem Spott zu leiden, obwohl er überhaupt nichts für die Situation kann. Als bei einem Hahnenkampf im Dorf Sutekichis Hahn gegen den favorisierten von Daisaki gewinnt, reagiert sich letzterer ab, indem er Sutekichi wieder einmal verhöhnt. Da dreht dieser durch und ersticht Daisaki in rasendem Zorn.

Hahnenkampf
Überstürzt packen Sutekichi und Sue ihre Sachen auf einen Karren und verlassen das Dorf. Als sie nach dreitägiger Flucht nächtens auf eine leere Hütte stoßen, machen sie erschöpft Rast. Doch am nächsten Morgen müssen sie bestürzt feststellen, dass sie in ihrem eigenen Dorf, in der eigenen Hütte gelandet sind. Sie machen nun keinen Fluchtversuch mehr, doch es scheint sich auch niemand für den Totschlag zu interessieren. Plötzlich sitzt Sutekichi Daisaki gegenüber, der immer noch ständig blutet, aber sonst quicklebendig erscheint. Doch Sue kann außer Sutekichi niemand erkennen. Daisaki spricht Sutekichi an, und der antwortet - doch aus Sues Sicht führt er nur sinnlose Selbstgespräche. Existiert Daisaki nur in Sutekichis Einbildung? Oder handelt es sich um Daisakis Geist, der nur dem Mörder erscheint? Die Interpretation bleibt, wie vieles in dem Film, dem Zuschauer überlassen.

Nächtliche Flucht
Denn auch sonst gehen merkwürdige Dinge vor. Das reicht von einem Herdfeuer, das nicht ausgehen will, obwohl Sue reichlich Wasser darüber gießt, über eine Art von Exorzismus, den ein Priester an einer gelähmten Verwandten von Daisaki ausführt, bis zu einem Loch, das eines Tages ohne Vorwarnung und ohne ersichtlichen Grund auf der Dorfstraße erscheint. Zunächst ist es eng, vielleicht einen halben Meter weit, aber schon unergründlich tief. Doch jedesmal, wenn der Film zum Loch zurückkehrt, hat es sich geweitet, bis es am Ende einen Durchmesser von mehreren Metern hat. Die Dorfbewohner spekulieren, dass es sich um einen Zugang zum Totenreich handelt, und schreiben Briefe an die Verstorbenen, mit denen der Postbote hinabgelassen wird. Doch wird er wirklich hinabgelassen? Es sieht aus, als fahre er in einem unsichtbaren Paternoster hinab in die Unterwelt. Auch einige der Dorfbewohner geben Rätsel auf. Da ist beispielsweise eine uralte Frau, die offenbar zu Daisakis Familie gehört, und die immer nur schweigend dasitzt. Sie tut nichts, sie sagt nichts, sie scheint nicht einmal ihre Umgebung zu beobachten - sie sitzt nur da. Umso aktiver ist ein alter Mann, anscheinend derselbe, der anfangs die Uhren vergrub - man kann es aber schlecht erkennen, weil er nun ein merkwürdiges weißes Gewand mit einem breitkrempigen Hut trägt. Er taucht immer wieder unvermittelt auf, manchmal mit seinem Karren, und obwohl er selten aktiv in die Handlung eingreift, scheint er irgendeinen Einfluss auszuüben. So ist er beim verhängnisvollen Hahnenkampf ebenso anwesend, wie auf Sues und Sutekichis nächtlicher Flucht, und als der Briefträger ins Loch hinabfährt ebenfalls.

Der Mann in Weiß
Ein rätselhaftes Wesen ist auch das Mädchen Chigusa, das allein in der Nähe des Dorfes im Wald lebt. Sie besitzt eine Art Doppelnatur: Einerseits scheint sie ein normales Mädchen zu sein, das nur aus irgendwelchen Gründen abseits der Dorfgemeinschaft lebt - so wird sie etwa einmal beim Aufhängen von Wäsche zum Trocknen gezeigt -, und dann wieder wird sie als eine Art Elfe oder Waldnymphe gezeigt, zu deren Mythologie es gehört, dass jeder, der sie nackt sieht, sofort stirbt. Zwei junge Männer stellen ihr nach, und tatsächlich ereilt einen der beiden bald das Schicksal. Daisaki begegnet ihr ebenfalls, doch der lacht bei ihrer Warnung vor einer Annäherung nur - er ist ja bereits tot. Die Szenen, in denen Chigusa als übernatürliches Wesen erscheint, sind monochrom grün viragiert, wobei es gelegentlich an einigen Stellen im Bild kleine Farbtupfer in anderen Farben gibt. (Terayama benutzte derartige Stilmittel auch schon in WERFT DIE BÜCHER WEG UND GEHT AUF DIE STRASSE, in PASTORAL: TO DIE IN THE COUNTRY und in einigen seiner Kurzfilme.) Ist die übernatürliche Chigusa nur eine Einbildung von Sutekichi, wie bei ihrem ersten Auftreten vielleicht nahegelegt wird? Auch hier bleibt vieles offen und der Fantasie des Zusehers überlassen.

Chigusa
Ein Zirkus mit Gauklern und Artisten bringt Abwechslung ins Dorf. (Auch das gab es schon in PASTORAL, dort mit noch merkwürdigeren Gestalten als in LEBEWOHL, ARCHE). Weitere Neuankömmlinge sind eine fremde Frau, Tsubana, mit ihrem kleinen Sohn. Sie führt in einer Urne die Asche ihres Vaters mit sich, der in seinem Testament den Wunsch geäußert hatte, im Familiengrab der Tokitos (Daisakis Zweig) beigesetzt zu werden, obwohl ihn dort niemand kannte. Weder Tsubana noch Daisakis Familie haben eine Erklärung für diesen seltsamen Wunsch, doch Tsubana wird zunächst einmal bei den Tokitos aufgenommen.

Links oben nochmal Chigusa; Tsubana und Dai
Sutekichi verändert sich seit dem Ende seiner Flucht zusehends. Er unterhält sich nicht nur immer wieder mit Daisaki, den sonst niemand wahrnimmt, er vergisst auch Namen und Bedeutung der alltäglichen Dinge seiner Umgebung. Deshalb schreibt er die Bezeichnungen auf Zettel, die er am jeweiligen Objekt anheftet. Bald gibt es ganze Girlanden von aneinandergehefteten beschrifteten Zetteln, und schließlich bekommt auch Sue einen umgehängt: "Sue - meine Frau". Bald darauf taucht wieder einmal der alte Mann auf, und diesmal führt er auf seinem Karren Uhren mit sich - offenbar dieselben, die einst vergraben und nun wieder ausgegraben wurden. "Wenn man eine Uhr hat", erklärt er Sutekichi, "kann jeder die Sonne auf- und untergehen lassen". Er dreht am Zeiger einer der Uhren - und schon geht tatsächlich die Sonne unter. Überzeugt, kauft Sutekichi eine der Uhren.

Girlanden von Merkzetteln
Unterdessen hat Tsubana die Initiative ergriffen und die Urne eigenmächtig im Familiengrab der Tokitos beigesetzt. Am nächsten Tag fällt ihr junger Sohn Dai versehentlich ins inzwischen riesige Loch - und steigt Sekunden später als junger Mann wieder heraus. Dai, nun ebenfalls Daisaki genannt, ist jetzt ein viriler Muskelprotz, aber charakterlich ist er nicht gereift. Er stellt aggressiv den jungen Frauen im Dorf nach, und schließlich vergewaltigt er sogar Temari, die schwangere Witwe des ersten Daisaki.

Sue und Sutekichi
Sutekichi stößt mit seiner neuen Uhr auf wenig Gegenliebe. Die meisten der Dörfler sind der Meinung, es dürfe im Dorf nur eine Uhr geben, damit keine Verwirrung über die richtige Zeit entstehen könne (dieses Motiv kam ebenfalls bereits in PASTORAL vor). Ein mit Knüppeln bewaffneter Trupp macht sich zu Sutekichi auf und fordert die Herausgabe der Uhr. Als er sich weigert, wird sein Anwesen gestürmt und Sutekichi im Handgemenge erschlagen. Im Augenblick seines Todes verschwindet Daisaki vor seinen Augen. In der folgenden Nacht findet auf dem Dorfplatz ein spektakuläres, archaisch anmutendes Tanzritual statt, von Fackeln erleuchtet und von dumpfen Trommeln begleitet - vielleicht eine Art Totenfeier für Sutekichi. Oder sind es die Geister selbst, die hier erscheinen? Am nächsten Morgen löst sich wie von selbst Sues Keuschheitsgürtel. Wurde es durch das nächtliche Ritual bewirkt? Oder ist es einfach nur eine grimmige Ironie, deren tieferen Sinn niemand kennt, dass jetzt, nach Sutekichis Tod, das Ding abfällt? Wieder bleibt viel Raum für Interpretation und Spekulation.

Ein nächtliches Tanzritual
Der Sturm auf die Uhr war nicht von Erfolg gekrönt - im Gegenteil. Nicht nur hängt Sutekichis Uhr trotz seines Todes immer noch in seiner demolierten Hütte, jetzt kauft auch noch Tsubana eine ganze Reihe Uhren und hängt sie alle in der Wohnung der Tokitos auf, bei denen sie nach wie vor lebt. Bald gibt es in jedem Raum welche, insgesamt dutzende (und wiederum gab es dieses Motiv bereits in PASTORAL). In der letzten halben Stunde des Films halten einige moderne Neuerungen Einzug im Dorf. Es gibt ein erstes Radio, eine elektrische Straßenbeleuchtung wird installiert, und ein erstes Automobil erscheint im Dorf. Es gehört Yonetaro Tokito, einem Verwandten von Daisaki, dem er einst seine Ersparnisse stahl und damit in die Stadt entschwand. Doch nicht das Auto, sondern ein anderes seiner Besitztümer erregt die meiste Aufmerksamkeit: Eine Taschenuhr. Wenn man die Zeit immer mit sich herumtragen kann, dann ist ein neues Kapitel der Herrschaft des Menschen über die Zeit eröffnet. Auch der Alte im weißen Gewand bringt eine Neuheit mit: Einen Fotoapparat - eines jener klobigen Ungetüme mit riesigen Fotoplatten. Damit fotografiert er Tsubana mit dem zweiten Daisaki vor einem theatralisch gemalten Hintergrundbild, und sie bemerkt dabei "ein Foto wird geschossen, eine Seele ist verloren". Und dazu sagt eine Stimme aus dem Off, dass im Dorf nur dieses eine Foto aufgenommen wurde, und als Vorgriff auf den Schluss wird kurz die moderne Stadt gezeigt, in der jetzt die Nachfahren der Dorfbewohner leben. Wer dieser plötzlich auftauchende Erzähler aus der Gegenwart ist, erfährt man nicht. Vielleicht Temaris noch ungeborenes Kind? Wieder bleibt Gelegenheit zur Spekulation.

Elektrische Beleuchtung wird installiert
Eines Tages bleiben die vielen Uhren im Haus der Tokitos stehen, alle auf einmal, und ein symbolischer Zwischenschnitt zeigt monochrom viragiert eine Uhr, die aus großer Höhe in einen Abgrund fällt und zerschellt (eine sehr ähnliche Sequenz gab es bereits in ORI, engl. THE CAGE, Terayamas erstem erhaltenen Kurzfilm von 1964). Die Zeit selbst ist damit sozusagen zum Stillstand gekommen, aber Yonetaros Taschenuhr setzt sie wieder in Gang, wie einer der Dörfler sagt. Gleichzeitig verlässt Temari, die sich mit dem zweiten Daisaki arrangiert hat, mit diesem das Dorf, um in die Stadt zu gehen, wie mittlerweile viele der Dörfler. Während Yonetaro im inzwischen fast leer stehenden Haus der Tokitos einen Schatz entdeckt, der etwas mit den Uhren, aber auch mit Tsubanas totem Vater zu tun hat, wandern weitere Bewohner in die Stadt ab. Letztlich ist die Zeit doch zum Stillstand gekommen, der Städter Yonetaro, der nur zu Besuch kam, kann sie nicht wiederbeleben. Am Ende ist Sue allein im Dorf. In einem furiosen Finale am gigantischen Loch hält sie eine Rede, halb Monolog und halb Dialog mit Sutekichi, und sie beschimpft die abgewanderten Bewohner als Idioten, bezeichnet die Stadt als Illusion und prophezeit, dass sie das erst in hundert Jahren begreifen werden. "Kommt in hundert Jahren zurück", ruft sie - und stürzt sich ins Loch.

Metamorphosen eines Lochs
Epilog: In der Gegenwart, und in der Stadt, die schon einmal kurz zu sehen war. Die Farben sind jetzt nicht mehr übersättigt, sondern betont fahl. Etliche der Bewohner sind Doppelgänger der alten Dorfbewohner. In einem Uhrmacherladen unterhalten sich ein alter Mann - der Uhrmacher - und ein Junge über jenes einzige Foto, das seinerzeit im Dorf gemacht wurde, und das nun im Laden hängt. Der Wiedergänger von Daisaki Tokito liest in einem Bündel von Briefen, die nicht von den Lebenden an die Toten, sondern von den Toten an die Lebenden geschrieben wurden. Am Ende treffen sich die Doppelgänger auf einem Hügel vor der Stadt, um ein Erinnerungsfoto aufzunehmen, für die kommenden Generationen in weiteren hundert Jahren. Der einzige, der keine moderne Kleidung trägt, ist der Fotograf - es ist der Alte im weißen Gewand mit seiner klobigen Kamera.

Finale und Epilog
Shūji Terayama entwarf in LEBEWOHL, ARCHE einen bildgewaltigen und symbolbefrachteten Kosmos in Anlehnung an den "magischen Realismus" in García Márquez' Roman. Unübersehbar ist die Allgegenwart der Uhren als Metaphern für die Zeit selbst. Aber auch der Tod - dem Terayama, wie schon erwähnt, damals selbst ins Auge blickte - ist in Bildsymbolen allgegenwärtig. Dazu dienen auch mehrfach Portraits von Verstorbenen. In einigen früheren Filmen Terayamas, insbesondere im schon mehrfach erwähnten PASTORAL und im Kurzfilm KESHIGOMU (engl. ERASER oder RUBBER, 1977) sind es Portraitfotos von Abwesenden oder Verstorbenen. Oft sind die Bilder nicht unversehrt, sondern das Deckglas ist zerbrochen, oder das Bild selbst zerknittert, zerrissen oder sonstwie beeinträchtigt. In LEBEWOHL, ARCHE übernehmen gemalte Portaits diese Rolle, und auch sie bleiben nicht ungeschoren. So sticht Temari einem Bild ihres toten Mannes die Augen aus (ein Gegenstück, ein Foto mit ausradierten Augen, gibt es in KESHIGOMU), und Sue verwüstet aus Wut über ihren Vater, der ihr den Keuschheitsgürtel verpasste, sein Portrait. Die beiden einzigen Fotos im Film symbolisieren dagegen eher den Sieg über den Tod. So sehe ich es zumindest, aber wie schon mehrfach erwähnt, lässt dieser Film viel Freiraum für Interpretationen.


Das gilt auch für die magischen oder übernatürlichen Bestandteile. Wenn man mag, kann man für vieles davon natürliche Erklärungen suchen, aber letztlich führen solche Rationalisierungen nicht weit, und man kann es auch gleich lassen. Terayama war ohnehin ein Künstler, der allzu detaillierte Erklärungen seiner Werke ablehnte. Autobiografische Bezüge sind in LEBEWOHL, ARCHE weniger offensichtlich als etwa in PASTORAL (wo die Verlässlichkeit der Autobiografie freilich explizit negiert wird). Dennoch spielt eine gewisse nostalgische Sehnsucht nach dem einfachen, vorindustriellen Landleben eine Rolle, sie manifestiert sich etwa in Sues Schlussrede. Terayama wuchs in der Präfektur Aomori im nördlichsten Teil von Honshu auf, seinerzeit eine rückständige ländliche Gegend. Die archaischen Sitten und Gebräuche, die er in LEBEWOHL, ARCHE und mehr noch in PASTORAL zeigte, kannte er jedoch nicht aus eigener Erfahrung - es handelt sich um Produkte seiner Fantasie, um ein ebenso anziehendes wie abstoßendes Sehnsuchtsland.


Terayama war ein Regisseur, der nicht vor Eklektizismus oder Pastiche zurückschreckte. Er verarbeite Einflüsse und Motive vieler Kollegen, japanischer wie europäischer. So erinnert etwa das Bestehen archaischer oder schamanistischer Praktiken in einer Dorfgemeinschaft im südlichen Japan des 20. Jahrhunderts etwas an Shōhei Imamuras PROFOUND DESIRES OF THE GODS, während das Auftreten das toten Daisaki an die Geister der Toten in Hiroshi Teshigaharas PITFALL denken lässt. Es ließen sich noch mehr solche Quellen ausfindig machen, aber auch das führt letztlich zu nichts, weil Terayama ohnehin seine sehr eigene Mischung daraus machte. Zur grandiosen Wirkung des Films trägt neben der Bildgewalt (Kamera: Tatsuo Suzuki) auch der überzeugende Soundtrack bei. Terayamas langjähriger Generalmusikdirektor J.A. Seazer (auch J.A. Caesar geschrieben, eigentlich Takaaki Terahara) lief noch einmal zu großer Form auf. Zu Terayamas Arbeitsweise gehörte es, dass seine Aktivitäten als Dichter, Schriftsteller und Theater- und Filmregisseur eng miteinander verwoben waren und er oft einen Stoff nacheinander in verschiedenen Medien bearbeitete, allerdings oft auch mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den aufeinanderfolgenden Versionen. 1981 inszenierte er mit seiner Theatertruppe Tenjō Sajiki in Tokyo sein Stück "Hundert Jahre Einsamkeit" (Hyakunen no kodoku), das in einer großen Halle auf fünf Bühnen gleichzeitig aufgeführt wurde. Dass der Titel des Films dann anders lautete, lag wohl an García Márquez, der Verfilmungen seines Romans grundsätzlich ablehnt. Ob er auch gegen LEBEWOHL, ARCHE etwas einzuwenden hat, weiß ich nicht. Es wäre schade, denn Terayama ist damit ein großer Wurf gelungen.


Zum Weiterlesen:

Avant-garde, Pastiche, and Media Crossing: Films of Terayama Shūji: Profunder Essay von Prof. Norimasa Morita von der Waseda-Universität Tokyo über WERFT DIR BÜCHER WEG UND GEHT AUF DIE STRASSE und PASTORAL: TO DIE IN THE COUNTRY. Aber Vorsicht: In PASTORAL gibt es, wie bereits erwähnt, eine kühne Wendung, von der man sich eigentlich überraschen lassen sollte, und der Text enthält diesbezüglich einen dicken Spoiler.

"FATHERLESS GIRL" AND "DOMINEERING MOTHER". TERAYAMA SHUJI'S PORTRAYAL OF WOMEN: Examensarbeit von Rei Sadakari an der Universität Hawaii. Behandelt ausschließlich Terayamas Theaterarbeit, aber die Erkenntnisse lassen sich auch auf die Filme übertragen (so ist etwa Chigusa so ein "fatherless girl"). Man erfährt auch einiges über Terayamas kompliziertes Verhältnis zu seiner Mutter, unter deren Fuchtel er zeitlebens stand - was sich auch in etlichen seiner Filme niederschlug, insbesondere PASTORAL und GRASS LABYRINTH.

Oedipal Ketchup von Andrew Grant. Kompakte Übersicht über Terayamas Spielfilme.

Schausteller und Zur-Schau-Gestellte. Zur Renaissance der misemono-Tradition in Terayama Shûjis (1935-1983) dramatischem Werk
von Stephan Köhn und Martina Schönbein. Behandelt wie Sadakari nur die Theaterarbeit, enthält aber interessante biografische Details.

Drei Kurzfilme von Terayama von meiner Wenigkeit.

Dienstag, 6. September 2011

Was Sie schon immer über Nägel wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

Drei Kurzfilme von Shūji Terayama

Teil 1: Schere, Stein, Papier, oder: Militarismus als Affenzirkus
Teil 2: Publikumsbeschimpfung auf Japanisch

DER PROZESS (SHINPAN)
Japan 1975


Ein Mann schlägt einen ziemlich langen Nagel mitten in den Boden einer Straße. Ein anderer Mann schlägt einen Nagel in eine Wand, und im selben Moment krümmt sich ein Dritter vor Schmerz und bricht zusammen, als ob er den Nagel in den Unterleib bekommen hätte. Ein Liebespaar in einem Zimmer: Sie liegt nackt auf einem Bettgestell aus Metall ohne Matratze, er kniet daneben auf dem Boden und schlägt in regelmäßigen Abständen mit seinem Hammer auf einen Nagel; jedesmal, wenn er trifft, stöhnt die Frau auf und krümmt sich vor Lust. Ein hagerer nackter Mann, der einen riesigen gekrümmten Nagel geschultert hat, wankt damit durch eine Landschaft, die durch einen violetten Farbfilter verfremdet ist. Eine Frau im Kimono öffnet in einem Zimmer ein kleines Kästchen, das verpackt ist wie ein Geschenk; als sie sieht, dass die Innenwände des Kästchens mit kleinen Nägeln gespickt sind, erschrickt sie, als ob sie die Büchse der Pandora geöffnet hätte.


Und so geht es weiter: Nägel in allen Größen, in absurden, surreal anmutenden Situationen. Die Frau im Kimono muss hilflos und angsterfüllt zusehen, wie ein großer gekrümmter Nagel - vielleicht derselbe, den der Mann durch die Gegend trägt - scheinbar aus eigenem Antrieb in ihr Zimmer eindringt. Der zunehmend entkräftete Mann, der seinen Nagel zu tragen hat, kehrt mehrfach wieder; seine Szenen sind mit sehr schöner melodischer, aber auch etwas rätselhaft-beunruhigender Musik unterlegt - dies und die violett eingefärbte Szenerie verleihen den Sequenzen einen ungewöhnlichen ästhetischen Reiz. Ein Mann mit Vollbart und Brille, der wie ein Gelehrter wirkt, schlägt auf würdevolle Art große Nägel in ein aufgeschlagenes dickes Buch. Ein weiteres Liebespaar: Sie treiben es auf konventionelle Weise, doch dann lugt ein riesiger Nagel (wohl der größte im Film) durch das offene Fenster herein. Und noch einiges mehr - Nägel, immer wieder Nägel.


Was hat das alles zu bedeuten? Bedeutet es überhaupt irgendwas? Es ist zumindest offensichtlich, dass es eine enge Verbindung zur Sexualität gibt. Man könnte den Nagel als Phallussymbol interpretieren. In einigen Abschnitten wird diese Deutung forciert - neben den Szenen mit den beiden Liebespaaren vor allem ein Blowjob mit einem überdimensionalen Nagel (siehe fünften Screenshot). In anderen Szenen will sie nicht so recht passen, wäre zumindest recht bemüht. Ein Rezensent deutet die Nägel ähnlich, aber etwas allegorischer als Symbol der männlichen Libido - ein interessanter Gedanke, der etwas für sich hat. Aber muss es überhaupt eine geschlossene Deutung des Films geben? Eher nicht. Terayama war keiner, der seinem Publikum irgendwelche Interpretationen seiner Filme aufdrängte, sondern zu eigenem Nachdenken anregen wollte, so wie auch in seinen Theaterproduktionen das Publikum oft einbezogen wurde. "Für Terayama waren seine Arbeiten Fragen und keine Antworten", sagte Henriku (oder Henrikku) Morisaki, ein langjähriger Mitarbeiter und Freund, 2008 in einem Interview - "sie mussten durch das Publikum komplettiert werden."


So kann also jeder in den Film hineinlesen, was er will - eine "richtige" oder "wahre" Interpretation gibt es nicht. Der Titel DER PROZESS ist übrigens kein deutscher Verleih- oder Fernsehtitel, sondern ein Originaltitel, und er bezieht sich auf Franz Kafkas bekanntes Romanfragment. Der alternative Titel SHINPAN ist der übliche Titel japanischer Übersetzungen von Kafkas auch in Japan berühmtem Werk. Worin der Bezug des Films zu Kafka nun tatsächlich besteht, ist mir allerdings schleierhaft.


Unabhängig von möglichen Interpretationen ist DER PROZESS ein sehr schöner Film. Neben den ungewöhnlichen und fantasievollen Bildern trägt auch der gekonnte Soundtrack von Terayamas Haus- und Hofkomponisten J.A. Seazer (gelegentlich auch J.A. Caesar geschrieben) dazu bei. Einen dreisten Coup erlaubt sich Terayama mit dem Schluss. Elf Minuten vor Ende des 35-minütigen Films erreicht der nackte Mann mit dem geschulterten Nagel torkelnd bewohntes Gebiet, und das Bild verschwindet in einer Weißblende. Und dann passiert - nichts. Man lauscht der wunderschönen sanft-melodischen, fast elegischen Musik und blickt gebannt (zumindest beim ersten Sehen) auf die Leinwand oder den Monitor, weil ja noch etwas passieren muss. Aber das Bild bleibt zehn Minuten weiß, es passiert nichts, bis die End-Credits eingeblendet werden. Was soll das nun wieder? Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte ein Rückbezug auf Terayamas ersten Spielfilm WERFT DIE BÜCHER WEG UND GEHT AUF DIE STRASSE sein. Da ist am Anfang zunächst mal die Leinwand eine Minute lang schwarz. Dann wird ähnlich wie in LAURA die "vierte Wand" durchbrochen, und der Protagonist spricht zum Zuschauer: "Was tust Du hier? Durch herumhängen bewirkt man nichts. Die Leinwand ist komplett leer." Und dann, gegen Ende des Films: "Schaltet das Licht ein! Der Film endet hier. Jetzt bin ich an der Reihe zu reden. Wenn man darüber nachdenkt, kann ein Film nur im Dunkeln existieren. Wenn die Lichter angehen, wie jetzt, wird die Welt des Film ausgelöscht." Und ganz am Ende erscheint dann eine weiße Leinwand, wenn auch nur für eine knappe Minute, bevor die End-Credits beginnen (die in diesem faszinierenden Film auch eine ganz besondere Form haben, aber das ist ein anderes Thema). Es könnte also sein, dass Terayama dieses Motiv nochmal aufgreift und ausbaut. Auf jeden Fall gibt es einen Querbezug von DER PROZESS zu A TALE OF SMALLPOX (HŌSŌTAN), einen seiner beiden anderen Kurzfilme von 1975, denn darin kommen auch Nägel vor - etwa ein Mann mit vollständig bandagiertem Kopf, in den Nägel geschlagen werden.


Von allen Kurzfilmen Terayamas ist DER PROZESS für mich der interessanteste. Seine sämtlichen Kurzfilme (bis auf den ersten von 1960, der verschollen ist) sind in einer Box mit vier DVDs in Japan erschienen, die jedoch nicht mehr erhältlich ist. Einige Kurzfilme und Ausschnitte aus den Spielfilmen findet man bei YouTube.

Samstag, 3. September 2011

Publikumsbeschimpfung auf Japanisch

Drei Kurzfilme von Shūji Terayama

Teil 1: Schere, Stein, Papier, oder: Militarismus als Affenzirkus
Teil 3: Was Sie schon immer über Nägel wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

LAURA (alternativ ROLLER, jap. RŌRA)
Japan 1974


Drei leicht bekleidete Grazien (von denen eine ein Transvestit sein könnte) in einem abgedunkelten Bühnenraum fast ohne Einrichtungsgegenstände. Sie durchbrechen die "vierte Wand" und sprechen den Zuschauer vor der Leinwand direkt an:

"Du da, in der zweiten Reihe von vorne! Womit fummelst Du da herum? Wir sind genau vor dir. Wir können dich perfekt sehen. Hör auf damit! Warum kommst Du nicht her? Mach es nicht selbst! Es ist schlecht für dich. Was, wenn es den Kerl vor dir trifft? Er müsste dann so heimgehen. [Gelächter] Und was ist mit dir? Glotz nicht! Tu nicht so, als ob Du nicht würdest! [...] Wir sind nicht nur Licht und Schatten auf der Leinwand. Wir haben Augen genau wie Du. Wir kennen die Typen, die in Experimentalfilme kommen. [...] Andere Kerle glauben, "Avantgarde" bedeutet eine nackte Frau! [Lachen] Ich lass dich mal schauen, wenn Du willst. Das ist es, was manche von ihnen wollen. Wir haben auch Geschäftsleute als perverse Spanner. Und ehrgeizige Literaturkritiker. [...] All die Möchtegernkritiker in der Menge kommen in Filme wie diesen."

Und so weiter. Etwas später wird einer der Geschmähten auf unergründliche Weise durch die Leinwand zu den drei Vamps gezogen. Mit sanfter Gewalt ziehen sie ihn aus und verlustieren sich an ihm, seinen halbherzigen Protesten zum Trotz. Am Ende entschwindet der Gebeutelte auf die selbe Art, wie er gekommen ist, wieder in den Zuschauerraum. Und die drei Grazien kündigen für das nächste Mal ein Melodram an ...


Ich fühlte mich durch den Film etwas an Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" erinnert - um genau zu sein, an den Schluss dieses Sprechstücks, in dem das Publikum die meiste Zeit über gar nicht beschimpft wird. Das ist kein abwegiger Gedanke. Terayama war sehr an zeitgenössischer europäischer, auch deutschsprachiger, Literatur interessiert, und in der posthum veröffentlichten Essaysammlung "Hakaba made nan mairu?" (How Many Miles to the Graveyard) erwähnt er die "Publikumsbeschimpfung" ausdrücklich. Vielleicht kannten sich Terayama und Handke sogar persönlich, denn beide waren im Juni 1969 beim experimentellen Theaterfestival "experimenta 3" in Frankfurt am Main anwesend (Terayamas Theatertruppe Tenjō Sajiki führte zwei Stücke auf). Die "Publikumsbeschimpfung" war drei Jahre zuvor am selben Ort bei der "experimenta 1" uraufgeführt worden. Ich weiß aber nicht, ob sich Handke und Terayama tatsächlich kennenlernten - Handke schrieb nach der "experimenta 3" einen Artikel darüber in der Zeit, und darin wird Terayama gar nicht erwähnt. Wie dem auch sein mag - LAURA ist ohnehin ein eigenständiges Werk. Kein übermäßig tiefschürfendes, aber eine witzige und freche Auseinandersetzung mit Avantgardefilmen und ihren Zuschauern. Was übrigens die nackten Frauen (und auch Männer) betrifft: Die gab es in Terayamas Filmen tatsächlich immer wieder, einschließlich sichtbarer Genitalien und Schamhaare - im japanischen Film eigentlich ein Tabu. Shūji Terayama war eben ein Enfant terrible, ein Grenzgänger zwischen "Hochkultur" und anarchischem Underground.

Donnerstag, 1. September 2011

Schere, Stein, Papier, oder: Militarismus als Affenzirkus

Drei Kurzfilme von Shūji Terayama

Teil 2: Publikumsbeschimpfung auf Japanisch
Teil 3: Was Sie schon immer über Nägel wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

THE WAR OF JAN-KEN-PON (JANKEN SENSŌ)
Japan 1971


Zwei junge Männer in militärischen Uniform-Jacken und -Mützen - aber ohne Hosen - spielen das bekannte Schere-Stein-Papier-Spiel, das wohl jeder von uns als Kind schon mal gespielt hat. Aber bei dem Duell der beiden Jünglinge handelt es sich offenbar nicht um einen harmlosen Zeitvertreib, sondern um einen verbissenen Kampf. In einer leeren Lager- oder Fabrikhalle attackieren sie sich bald auch körperlich - und zwar in der Manier von Schimpansen. Und draußen an einem Fenster der Halle stehen Leute und schauen interessiert, aber auch distanziert herein - so wie man eben dem Treiben der Affen im Zoo zuschaut. Immer wilder kaspern die beiden herum, bis sie völlig verdreckt und derangiert sind. Als Soundtrack des zwölfminütigen Films erklingt wagnerianische Musik, phasenweise unterlegt mit Grunzlauten und mit Gegröle von Adolf Hitler.


Shūji Terayama, ein Avantgardist par excellence, hat neben seiner Arbeit als Gründer und Leiter der experimentellen Theatertruppe Tenjō Sajiki, als Dichter und Schriftsteller und in weiteren Aktivitäten, auch mehrere Spielfilme und ca. 15 Kurzfilme gedreht. THE WAR OF JAN-KEN-PON - der Titel bezieht sich auf den japanischen Namen des Schere-Stein-Papier-Spiels (das vermutlich aus China stammt und von Japan aus den Weg nach Europa fand) - wurde nicht als eigenständiger Film gedreht, sondern er ist ein Auszug aus der 72-minütigen Langfassung des wüsten und kontroversen EMPEROR TOMATO KETCHUP (TOMATO KECHAPPU KŌTEI) von 1970, in dem die Kinder in einer bewaffneten Revolte die Macht übernehmen und den Erwachsenen merkwürdige Gesetze aufoktroyieren. Lediglich der Soundtrack wurde für die zwölfminütige Version neu erstellt. Während die meisten Filme von Terayama vielschichtig und schwer zu entschlüsseln sind, drängt sich mir hier eine Interpretation geradezu auf: Terayama verhöhnt jeglichen Militarismus als Affenzirkus.